Als wir morgens das Auto beladen, sehen wir um das Motel herum zwei Maultierhirsch-Damen, die trotz der vielen gaffenden Leute friedlich äsen. Auf einmal erschrecken sie sich und stürzen davon, erst dann fängt ein Hund an zu bellen. Anscheinend haben sie den Hund gewittert, bevor er richtig da war. Wir frühstücken im gleichen Restaurant, in dem wir gestern schon zu Abend gegessen haben, dem Blueberry. Da das Wetter etwas besser aussieht und es nicht regnet, entschließen wir uns, noch eine Nacht länger hier zu bleiben, allerdings in Ucluelet, nicht in Tofino, und die geplante Whale-Watching-Tour zu unternehmen.
Darauf hin buchen wir eine Tour um 15:00 Uhr nachmittags, die 10:00 Uhr-Touren waren schon unterwegs. Danach suchen wir eine neue Unterkunft für die kommende Nacht, wir wollen ja schließlich nicht wieder so viel Geld bezahlen. Ich suche aus dem Stadtplan nur die Motels sowie Bed and Breakfast-Häuser aus, die ein wenig ruhig und schön gelegen sind. Und wir werden auch fündig: Bei einer älteren Dame in einem traumhaft an Klippen über den Pazifik gelegenem Haus mieten wir das Untergeschoss. Sie hat zwei Gästezimmer dort (nur zwei, d. h. wir sind auch alleine), jeweils mit eigenem Bad. Da ein Bad in der oberen Etage liegt, beschließen wir, uns das im Untergeschoss zu teilen, das haben wir in diesem Urlaub ja schon öfter prima hinbekommen. Eine separate Toilette ist ebenfalls im Untergeschoss noch vorhanden. Die Fenster der Zimmer gehen alle in Richtung Meer, es ist eine traumhaft schöne und ruhig gelegene Unterkunft. Und beim Ausladen des Gepäcks kommt sogar die Sonne heraus. Die alte Dame ist wirklich furchtbar nett und – wie wir finden – auch sehr vertrauensselig. Die Haustür steht meist offen, wir sehen ohne Probleme, wo sie ihr Geld aufbewahrt. Schlechte Erfahrungen hat sie wohl mit ihren Gästen noch nicht gemacht. Nachdem wir ihr mitgeteilt haben, dass wir aus Deutschland kommen, blättert sie das ganze Gästebuch durch nach deutschen Namen und zeigt sie uns. Ich wette, sie hat zu vielen Namen noch Gesichter und Geschichten im Kopf. Der einzige Nachteil ist, dass sie Bargeld bevorzugt und keine Kreditkarten nimmt, wir einigen uns dann auf Traveller Cheques, ein Glück haben wir noch genug. Anschließend fahren wir zum Pacific Rim National Park und dort zum Wickannish Centre und schauen uns den Long Beach an. Es sieht echt klasse aus, wie das Meer langsam am Strand ausläuft. Überall angeschwemmtes Treibholz, Muscheln, tote Krabben und sogar einen Seestern sehen wir. Im Restaurant mit einer traumhaften Aussicht trinken wir einen Kaffee. Da unser Zwei-Stunden-Ticket – die Gebühr für die Benutzung des Nationalparks, die man entrichten muss, wenn man auf einem der Parkplätze im Nationalpark parkt – noch gültig ist, fahren wir zum nächsten Haltepunkt, dem Combers Beach, wo man ein Stück durch den Regenwald laufen muss, um den Strand zu erreichen. Auch hier sieht es großartig aus, der recht dichte Wald, das ganze Treibholz am Strand und die Gischt, die an beiden Seiten hoch spritzt. Ich könnte stundenlang aufs Meer schauen, ohne dass mir langweilig werden würde. Wir fahren zurück und noch im Nationalpark auf der Straße Richtung Ucluelet stehen auf einmal eine Bärenmama und ihr Kleines direkt am Straßenrand. Wir halten, aber leider fahren hinter uns gleich noch ein paar Autos mit unverminderter Geschwindigkeit daran vorbei. Irgendwas erschreckt dann die Bären, so dass sie wieder im Wald verschwinden, noch bevor wir ein schönes Foto machen können. Wir warten noch ein paar Minuten, aber die Stelle ist zum Parken sehr ungünstig und es passiert leider auch nichts mehr. Anschließend fahren wir zum Hafen, wo unser Schlauchboot auf uns wartet. Wir ziehen die sehr kleidsamen orangenen „Maßanzüge“ an, die uns vor Nässe (nötig) und Kälte (nicht so nötig) schützen sollen. Unser Schiffsführer Brian fragt alle Mitfahrenden, aus welcher Stadt sie sind. Wir teilen uns das Boot mit einem Pärchen aus Kamloops und einer Familie mit zwei kleineren Kindern aus Toronto. Und dann geht es durch den Hafen erst langsam und dann auf See mit einem Affenzahn auf zum Wale schauen. Wir halten an einem Felsen mitten im Meer, auf dem viele Kormorane ausruhen. Und dann sehen wir schon den ersten Grauwal. Langsam bewegt er sich vorwärts, bläst ein paar Mal aus und taucht dann wieder ab. Anhand der langsamen Überwasser-Bewegungen kann man erahnen, wie groß der Wal sein muss. Nachdem wir ihn mehrere Male beim Atmen beobachten können, fahren wir weiter. Claudia ist heilfroh darüber, denn das Treiben und Schaukeln auf dem Meer haben ihr enorme Probleme gemacht, durch die wieder aufgenommene Fahrt wurde es ihr ein Glück gleich wieder besser. Auf einer anderen kleinen Insel sehen wir ein paar Seehunde (davon sehen wir später noch mehr) und einen Adler, den wir allerdings vermutlich aufscheuchen. Wir brauchen nicht lange zu fahren, da sehen wir auf einem größeren Felsen im Meer majestätisch einen Weißkopfadler sitzen, der uns zwar beobachtet, sich aber nicht stören lässt und damit sehr fotogen ist. Bei der Weiterfahrt schwimmt ein Seehund an uns vorbei und dann können wir noch zwei weitere Grauwale beobachten, die auf der Suche nach Fressen sehr dicht am Rand einer Insel entlang tauchen. Der zweite Wal (eigentlich der dritte, den wir sehen) ist uns sogar sehr nah, wir haben mehrmals das Glück, seine Schwanzflosse beim Tauchen aus dem Wasser kommen zu sehen, was mit allgemeiner Begeisterung der Bootsinsassen aufgenommen wird. Einmal taucht er so nah am Boot auf, dass man ihn deutlich schnaufen hören kann. Danach fahren wir noch zu einer weiteren Insel, auf der sich massenhaft Seelöwen und Seehunde in der Sonne ausruhen und sich schön beobachten und fotografieren lassen. Es ist toll zu hören, welch unterschiedliche Geräusche diese beiden Rassen von sich geben. Ansonsten lassen sich die Tiere von unserem Boot aber eher nicht stören. Brian hat während der gut dreistündigen Tour das Verhalten der Tiere sehr interessant erklärt und man merkte – obwohl sich die Boote absprechen, wo insbesondere die Wale zu finden sind – das ein gewisser Abstand zu den Tieren gewahrt wird, um sie nicht aufzuschrecken. Alles in allem ein total gelungener Ausflug, der bei jetzt richtig tollem Wetter – wir haben uns alle die Gesichter verbrannt – riesigen Spaß gemacht hat. Das tat nach dem gestrigen misslungenem Tag mal wieder so richtig gut und hat bewiesen, dass unsere Entscheidung, noch einen Tag in Ucluelet zu bleiben, doch richtig war. Wir fahren direkt vom Hafen in ein kleines Restaurant und essen dort wieder sehr gut zu Abend (anscheinend hat der Trip auf dem Meer einen Riesenhunger zur Folge). Kurz bevor wir unsere Unterkunft erreichen, steht ein Haus weiter im Garten wieder eine Maultierhirsch-Dame und grast. Sie ist sehr wachsam, deshalb steigen wir nicht aus, aber es sieht schön aus, wie sie in der leichten Dämmerung dort steht. Wir lassen den noch frühen Abend mit einem Kartenspiel in „unserem“ Haus am Meer ausklingen.
Kilometerstand: 14.901 km (Tagesleistung 59 km)