Dienstag, 07. August 2001

Schade, dass es Morgennebel gibt, sonst könnte man nach dem Aufwachen direkt auf den Pazifik schauen. So sieht man nur eine graue Suppe. Wir bekommen von unserer Vermieterin ein Super-Frühstück mit Tee, Kaffee, Cornflakes, frischen Pancakes, Schinken, Saft usw. und mit einer tollen Aussicht. Ich könnte stundenlang da sitzen und das Meer beobachten. Als wir zusammenpacken, sehen wir die Rehdame und ihr Kitz, von der uns die Hausbesitzerin erzählt hat.

Als wir den schmalen Weg zur Straße entlang fahren, können wir erst die Mama beim Fressen beobachten und dann das noch gepunktete Kitz, dass uns genauso interessiert betrachtet wie wir es. Ich werde richtig traurig, wenn ich daran denke, dass wir heute Abend die Natur verlassen und in die Stadt und Zivilisation zurückkehren. Eigentlich würde ich viel lieber – und dazu trägt wahrscheinlich auch der Sonnenschein bei, den wir heute haben – noch hier bleiben, schauen, staunen und mich an der Natur und den Tieren freuen. Es geht anscheinend allen von uns so, denn auf der Strecke bis Port Alberni halten wir insgesamt dreimal zum „Beine vertreten“ und Fotografieren. Es sind alles Stellen, zwei Seen und eine Felsformation, die wir in der ein oder anderen Form bereits auf unserer Reise gesehen und fotografiert haben, also eigentlich nichts Spektakuläres oder nichts Neues. Ich vermute, dies sind alles Momente, die wir noch festhalten, ganz tief in unser Gedächtnis einbrennen wollen, bevor wir es nicht mehr sehen können. Beim letzten Halt tauschen wir unsere Jeans mit kurzen Hosen, das erste Mal für mich seit langem. Es dauert nicht lange, dann erreicht unser Thermometer im Auto die 20° C. Kurz nach Port Alberni halten wir bei Cathedral Grove, einem Waldstück, das uns schon auf der Hinfahrt aufgefallen ist. Da war uns aber das Wetter zu schlecht zum Anhalten, also holen wir das jetzt nach. Der Wald besteht aus lauter riesigen Bäumen, die meisten so um die 300 Jahre, der älteste über 900 Jahre alt, 76 Meter hoch mit einem Durchmesser von drei und einem Umfang von neun Metern. Die meist durch Stürme gefällten Bäume bleiben einfach liegen, damit sich darauf wieder andere Pflanzenarten, wie Moos oder Pilze, ausbreiten können. Dadurch bekommt das Waldstück etwas leicht Verwunschenes, eine Art Märchenwald. Bis auf einen Snack-Stop fahren wir den Rest der Strecke durch und kommen gegen 17:00 Uhr in Victoria an. Die Motels an der Hauptstraße kurz vor Downtown Victoria gefallen uns nicht sehr und wir suchen eine Empfehlung aus meinem Reiseführer. Leider ausgebucht und ein zweites Motel auch, also schauen wir wieder nach Bed and Breakfast-Häusern. An der ersten Tür werden wir zwar nicht direkt fündig, aber die Hausherrin, Cathy, besorgt uns telefonisch zwei Zimmer mit gemeinsamen Bad. Wunderschön, in einer alten Villa mit dunklen Holzmöbeln, auf Hochglanz poliertem Parkettboden und weichen, dicken Teppichen. Wegen der roten Eingangstür nennt sich das Haus „The Red Door“. In dem Haus kommt man sich ein wenig wie im Schloss oder einem viktorianischen Herrenhaus vor. Unsere Vermieterin, Rhea, ist supernett und besorgt uns gleich noch eine Unterkunft für die nächste Nacht, da sie nur für diese Nacht frei ist. Dafür haben wir das Zimmer auch zu einem Sonderpreis bekommen. Die Übernachtung in Bed and Breakfast-Häusern finden wir eine gute Sache. Die Vermieter sind alle nett, meist ist es günstiger als in Motels, die Häuser sind wunderschön und ruhig gelegen. Und man muss zum Frühstücken kein Lokal suchen, sondern wird erstklassig bewirtet. Hier im „Red Door“ gibt es sogar Wasser umsonst und Rhea hätte uns gestern Nachmittag auch noch einen Kaffee gekocht, wenn wir das gewollt hätten. Also wir können diese Art der Unterbringung nur wärmstens empfehlen. Ich frage mich aber wirklich, ob die Besitzer dieser schönen Häuser noch keine schlechten Erfahrungen mit ihren Gästen gemacht haben, weil sie Fremden einfach traumhaft schöne Zimmer überlassen. Ich glaube, wir Deutschen hätte mit einer solchen Gastfreundschaft große Probleme. Wir fahren später noch ein Stück nach Downtown Victoria rein und schauen uns die (überteuerten) Läden an, die noch geöffnet haben, unter anderem auch eine sehr noble Einkaufspassage. Dann essen wir in einem Pub zu Abend, das Essen ist nicht überragend, aber essbar, nur die Getränke dauern ziemlich lange. Danach schauen wir uns noch das fast kitschig beleuchtete Parlamentsgebäude und das monströse Empress-Hotel an und schlendern durch die immer noch belebten Straßen zurück zum Auto.

Kilometerstand: 15.229 km (Tagesleistung 328 km)

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